Wien. Ein klinisches Forschungsprojekt der Medizinischen Universität Wien könnte die Diagnostik der seltenen Erbkrankheit X-ALD bei Jungen entscheidend verbessern. Bisher sind belastende Magnetresonanztomografien nötig, um den gefährlichen Verlauf der Krankheit zu erkennen – künftig könnten einfache Bluttests ausreichen.
Die X-chromosomale Adrenoleukodystrophie (X-ALD) ist eine genetisch bedingte Stoffwechselkrankheit, die vor allem Buben zwischen sechs und zwölf Jahren betrifft. Eine besonders aggressive Form, die sogenannte zerebrale ALD (CALD), zerstört schrittweise das zentrale Nervensystem. Ohne frühzeitige Diagnose und Behandlung verlieren Betroffene in kurzer Zeit ihre Bewegungsfähigkeit und versterben oft innerhalb weniger Jahre.
Frühe Symptome sind oft unauffällig: Die Kinder wirken ungeschickt, werden in der Schule auffällig oder entwickeln Konzentrationsprobleme. Doch was wie ADHS wirken kann, sind erste Anzeichen schwerwiegender neurologischer Schäden. Bislang erfolgt die Kontrolle per MRT, oft halbjährlich, was für Kinder und Eltern eine große Belastung darstellt – unter anderem wegen nötiger Sedierungen und der Gabe von Kontrastmitteln.
Die Genetikerin Isabelle Weinhofer arbeitet deshalb an einem neuen, nicht-invasiven Bluttest. Im Mittelpunkt steht das Protein Neurofilament Light Chain (NfL), das bei beginnender Hirnentzündung im Blut stark ansteigt. Erste Studien zeigen, dass NfL bereits erhöht ist, wenn im MRT nur kleinste Veränderungen sichtbar sind. Ein weiterer Ansatz ist die Analyse zellfreier DNA, die beim Absterben spezifischer Zelltypen ins Blut gelangt – etwa von Immunzellen im Gehirn.
Ziel ist eine digitale Anwendung, mit der Ärzte den Krankheitsverlauf bei X-ALD besser überwachen können. Die Blutwerte sollen künftig automatisch mit Vergleichsdaten gesunder Kinder abgeglichen werden. Dadurch ließen sich kritische Entzündungsprozesse frühzeitig erkennen – und eine rechtzeitige Stammzelltransplantation ermöglichen, die das Fortschreiten der Krankheit aufhalten kann.
Noch bis Ende September 2025 läuft das vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte Projekt mit einem Budget von rund 383.000 Euro. In einem geplanten Folgeprojekt soll der Bluttest mit größerer Fallzahl weiterentwickelt werden. Weinhofer betont: „Zeit ist entscheidend. Eine verlässliche Früherkennung könnte Leben retten.“
Für betroffene Familien wäre ein einfacher Bluttest nicht nur medizinisch, sondern auch emotional eine große Entlastung – und ein Fortschritt im Umgang mit einer Krankheit, für die es bislang keine Heilung gibt.