In einer Welt, in der Authentizität und Wirkung immer wichtiger werden, bietet die Schauspielkunst überraschende Einblicke für den Alltag und das Berufsleben. Larissa Keat, Schauspielerin und Coach, hat diese Brücke geschlagen. Im Gespräch mit Jörg Maire von regionalupdate.de teilt sie ihre faszinierende Reise von der Bühne und verrät, welche wertvollen Lektionen uns die Schauspielerei für unsere persönliche Präsenz und Kommunikation mitgeben kann.
Der Ruf der Bühne: Eine lebenslange Faszination
Larissa Keats Weg zur Schauspielerei begann früh, noch bevor sie den Begriff kannte. „Zuerst habe ich die Bühne an sich gefunden und zwar im Tanz. Ich habe mit 4 Jahren angefangen Ballett zu tanzen“, erinnert sie sich. Der Moment ihrer ersten Aufführung, das Gefühl im Scheinwerferlicht zu stehen, prägte sich tief ein. „Ich habe mir damals mit meinen 4 Jahren versprochen: Das will ich mein ganzes Leben lang!“
Zum Schauspiel selbst kam sie zunächst passiv, indem sie und ihre Freundin der Mutter ihrer Freundin, einer Theaterpädagogin, bei Kindertheateraufführungen halfen. Dies entwickelte sich über einen Theaterverein immer weiter, bis es sie nicht mehr losließ. Mit knapp 20 Jahren traf sie die entscheidende Wahl: „Ganz oder gar nicht!“, und sprach an allen möglichen deutschsprachigen Schauspielschulen vor.
Präsenz: Die unsichtbare Intensität des Seins
Die Frage, inwiefern sich Bühnenpräsenz von der persönlichen Präsenz im Alltag oder Business unterscheidet, beantwortet Larissa Keat differenziert. Als Schauspielerin sei oft ein Charakter dazwischen. Doch auch im nicht-fiktiven Leben „spielen“ wir verschiedene Rollen – ein CEO habe eine andere Präsenz bei der Arbeit als im Kreise der Familie.
Dennoch gebe es eine „natürliche Präsenz“, die sich durch alle Rollen des Lebens zieht: „Das ist diese schwer fassbare faszinierende Intensität, mit der gewisse Leute einfach im Raum sind.“ Je natürlicher diese Präsenz auch auf einer Bühne sei, desto angenehmer sei es, dieser Person zuzuhören, weil sie „echt“ ist. Dies habe vor allem damit zu tun, wie sehr eine Person im Moment da sein kann und wie viel Raum sie einnehmen kann.
Schauspieltechniken für den Berufsalltag: Ein überraschender Werkzeugkasten
„Mehr als ich dachte!“, lautet Larissa Keats Antwort auf die Frage, was Menschen im Berufsleben von Schauspieltechniken lernen können. Seit sie als Coach arbeitet, merkt sie, wie vielseitig ihr Beruf eigentlich ist. „Eigentlich kein Wunder, denn wir Schauspieler stellen ja das Leben dar, also sollten wir auch zu vielen Bereichen davon etwas wissen.“
Sie nennt konkrete Beispiele: Artikulation habe sie am meisten erstaunt. „Welch Unterschied die Artikulation bei der Erscheinung und dem ausgestrahlten Selbstbewusstsein einer Person macht! Tag und Nacht.“ Auch Improvisationstheater sei sehr wirksam für Teambildung, Spontaneität, Natürlichkeit, Gelassenheit und Schlagfertigkeit. Die Themen Raum einnehmen und Senden seien offensichtlich groß, wenn es um Auftritt und Präsenz geht. Und natürlich Stimme, Körpersprache, Rhythmus, Kameraauftritt und emotionale Variabilität – alles Schauspielgrundlagen, die einen großen Einfluss auf die Erscheinung im Berufsleben haben, mit Social Media sogar noch stärker.
Körpersprache: Der unbewusste Verräter
Körpersprache spielt in ihrer Arbeit eine sehr große Rolle, „weil sie uns sofort verrät.“ Besonders bei Nervosität oder im Vergleich von roboterhaften Automatismen zu einem natürlichen Auftritt sei dies offensichtlich. „Wir Menschen sind sehr feinfühlig auf Körpersprache, auch wenn wir es nicht immer herunterbrechen können. Das hat mit Urinstinkten zu tun, als wir nur die Körpersprache hatten, um Freund und Feind zu unterscheiden.“ Die meisten Menschen setzten Körpersprache nicht bewusst ein, was grundsätzlich nicht schlimm sei, wenn sie wirklich im Moment sind und ehrlich meinen, was sie sagen. Doch bewusster Einsatz biete ein zusätzliches, starkes Instrument.
Vorbereitung auf Auftritte: Yoga und Stimmübungen
Für die Vorbereitung auf Auftritte hat Larissa Keat über die Jahre ihre Favoriten gesammelt. „Ich liebe Yoga als Körperaufwärmung sehr“, verrät sie. Stimmlich mache sie oft Artikulationsübungen und sei ein Fan von „Lax Vox“ – einem Gummischlauch, durch den man in eine Wasserflasche blubbert, was die Stimme in kürzester Zeit wunderbar und schonend aufwärmt.
Kommunikation als Fundament: Schauspiel und Coaching
Wie verbindet sie Schauspiel, Coaching und Kommunikation? „Ich würde sagen, von diesen dreien ist Kommunikation das grundsätzlichste. Ohne Kommunikation können wir gar nicht leben.“ Selbst wenn man nichts sagt, kommuniziere man in irgendeinem Maße. Darauf habe sie ihre Schauspielausbildung aufgebaut und daraus nehme sie die meisten ihrer Fähigkeiten, um sich selbst auf der Bühne auszudrücken oder beim Coaching anderen etwas mitzugeben. Die Reihenfolge sei also: Kommunikation, Schauspiel, Coaching.
Die größte Hürde: Der Wunsch, „unglaublich gut zu wirken“
Wenn Menschen sich selbst präsentieren sollen, sieht Larissa Keat die größte Hürde im Wunsch, „unglaublich gut wirken zu wollen.“ Das sei ironisch, weil man deswegen ja ins Coaching gehe. Doch der Moment, in dem man versteht, dass es nicht um einen selbst geht, sondern um die Zuhörerschaft und die Mitteilung, die man für sie hat, sei für viele eine total neue Sichtweise und habe den größten Effekt. Viele Menschen hätten auch ein Problem damit, wirklich vollständig in der Gegenwart zu sein.
Authentizität ohne Unwohlsein: Der Blick auf das „Warum“
Die Frage, wie man mehr Authentizität zeigen kann, ohne sich dabei unwohl zu fühlen, beantwortet sie mit dem Schlüssel: „Wem will ich was mitgeben?“ Dann werde man selbst plötzlich gar nicht mehr so wichtig. Eine Schauspielerin habe ihr einmal gesagt: „Wenn ich in ein Casting gehe und danach rauskomme und keine Ahnung habe, wie es gerade war, weiß ich, dass ich super war!“ Dieses Unwohlsein auf der Bühne komme oft von einer introvertierten Sicht auf sich selbst und einem Performancedruck, den man sich selbst mehr mache als die anderen.
Prägende Momente als Künstlerin: Wenn Menschen „wacher“ werden
Was sie als Künstlerin persönlich am meisten geprägt hat, seien die Momente, in denen sie Personen berührt habe. „Wenn plötzlich eine Erweiterung in einer Person beginnt, weil sie etwas auf eine andere Art sieht, etwas oder jemanden versteht, etwas Neues fühlt, zu einer Idee inspiriert wird, wenn sie auf irgendeine Weise ‚wacher‘ wird.“ Manchmal bekomme sie dies als Rückmeldung, manchmal spüre sie es aber auch im Raum, wenn sie auf der Bühne steht. „Das sind ziemlich magische Momente, bei denen ich denke, dass sich jede Mühe dahin zu kommen gelohnt hat.“
Einladung zum Wachstum: Lust, Spaß und Schönheit der Kommunikation
Menschen, die beruflich mehr Präsenz und Wirkung entwickeln möchten, möchte Larissa Keat mitgeben, dass es sich sehr lohnenswert ist, eine Weile mit jemandem oder in einer Gruppe daran zu arbeiten und ein wenig in die Schauspielwelt einzutauchen. „Es ist extrem persönlichkeitserweiternd und befreiend. Es wird sich über den Berufskontext hinaus auswirken.“
Sie ermutigt dazu, immer in Richtung Lust und Spaß zu arbeiten, ohne dabei zu bequem zu sein. „Kommunikation ist Leben, und in der Verbindung mit anderen Menschen durch Kommunikation steckt sehr viel Schönheit.“ Man sollte sich nicht entmutigen lassen von unangenehmen Gefühlen oder persönlichen Herausforderungen, an die man definitiv stoßen werde, denn sonst würde man ja nicht wachsen. „Denn, wenn ich eines in meiner Schauspielausbildung gelernt habe, ist es: ‚Ich werde nie eine fertige Schauspielerin sein!‘“