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Lingen: Ex-Stadtrat Ibrahim Hassan wehrt sich gegen Justizverfahren

Lingen. Wegen politischer Postings auf Facebook stand der frühere Lingener Stadtrat Ibrahim Ahmed Hassan mehrfach vor Gericht – am Ende meist mit Freisprüchen. Doch Ruhe ist für den 60-jährigen Kurden nicht eingekehrt.

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Osnabrück wiegen schwer: Hassan soll verfassungsfeindliche Symbole gezeigt und religiöse Bekenntnisse verunglimpft haben. Hintergrund sind unter anderem geteilte Bilder, die Gewalt im Nahen Osten, Angriffe der Türkei auf die Kurden sowie Gräueltaten des IS thematisieren. „Ich habe diese Inhalte nicht erstellt, sondern dokumentiert“, sagt Hassan. „Zur Aufklärung.“

Rückblick auf ein bewegtes Leben

Geboren 1964 in Darbandichan im Nordirak, wurde Hassan mit 16 Jahren als Oppositioneller gegen Saddam Hussein verhaftet und schwer gefoltert. Später kämpfte er bei den Peschmerga, bevor er 1984 in die DDR floh. 1994 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft, arbeitete als Justizvollzugsangestellter und Dolmetscher, engagierte sich für die Grünen im Stadtrat von Lingen.

Doch seine politische Haltung, insbesondere zu türkischen Militäraktionen und der Kurdenfrage, brachte ihn ins Visier der Justiz. Ein Bild, das Hitler und Erdoğan mit einem Hakenkreuz im Namen zeigt, sowie eine Grafik mit einer Machete schwingenden Erdoğan-Karikatur führten zu Verfahren – trotz mehrfacher Freisprüche.

Justizirrtümer und juristisches Tauziehen

Das Amtsgericht Lingen sprach Hassan 2022 frei, gestützt auf die Meinungsfreiheit. Auch das Landgericht Osnabrück bestätigte das Urteil. Das Oberlandesgericht Oldenburg hob es jedoch auf – formale Fehler zwangen zur Neuverhandlung. Bei der zweiten Revision unterliefen der Staatsanwaltschaft wiederum gravierende Fehler: falscher Name, falsches Aktenzeichen, Fristversäumnis. Ende 2024 war die Revision endgültig vom Tisch.

Derzeit ruhen Hassans Social-Media-Aktivitäten – doch neue Verfahren laufen. Drei weitere Ermittlungen betreffen erneut geteilte Bilder, unter anderem das Symbol der PKK und eine IS-Flagge. Die Staatsanwaltschaft begründet ihr Vorgehen nüchtern mit dem Verweis auf Strafverfolgungspflicht.

Zweifel an Neutralität

Besonders kritisch sieht Hassan ein Verhör beim Staatsschutz der Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim, das im Büro eines türkischstämmigen Beamten stattfand – laut Hassan unter einer allein sichtbaren türkischen Flagge. Die Polizei erklärt dagegen, es habe sich um eine Kombination aus deutscher und türkischer Flagge gehandelt, symbolisch für multikulturelle Aufgabenbereiche.

Politisches Engagement, persönliche Folgen

Auch die Grünen in Lingen, für die Hassan im Stadtrat saß, distanzieren sich inzwischen. Fraktionschef Heiner Rehnen äußerte sich nicht öffentlich zum Fall. Hassan, heute arbeitslos und aus Lingen weggezogen, betont: „Ich bereue nichts. Ich bin Demokrat.“ Er vermutet persönliche Motive hinter dem juristischen Dauerfeuer. Ob es zu weiteren Verfahren kommt, bleibt offen.

Der Fall Ibrahim Hassan bewegt, weil er zentrale Fragen der Meinungsfreiheit, politischen Neutralität und juristischen Verhältnismäßigkeit berührt – auch im Emsland.

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