MÜNCHEN. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat entschieden, dass ein großes Kruzifix im Eingangsbereich eines staatlichen Gymnasiums die negative Glaubensfreiheit verletzt (Az.: 7 BV 21.336). Zwei ehemalige Schülerinnen hatten geklagt – mit Erfolg. Das Urteil bezieht sich auf das Spannungsfeld zwischen religiöser Symbolik und staatlicher Neutralität an Schulen.
Schülerinnen beantragen Entfernung – und gehen in Berufung
Im Mittelpunkt des Falls stand ein 150 Zentimeter hohes Holzkreuz mit Christusfigur, das unmittelbar neben der Haupttreppe des Schulgebäudes angebracht war. Für alle Schüler und Besucher war es beim Betreten der Schule sichtbar und nicht zu umgehen.
Die Klägerinnen beantragten die Entfernung des Kreuzes und lehnten zudem den vom Schulleiter eingeführten verpflichtenden Alternativunterricht während der Schulgottesdienste ab. Nachdem die Schule beides ablehnte und das Verwaltungsgericht München ihre Klage zurückwies, zogen sie vor den BayVGH.
Gericht: Staatliche Schule muss Neutralität wahren
Der Verwaltungsgerichtshof stellte klar: Die dauerhafte Konfrontation mit einem religiösen Symbol in einem zentralen Bereich einer öffentlichen Schule sei unzulässig. Schülerinnen und Schüler unterlägen der Schulpflicht – ein Ausweichen sei somit unmöglich. Das Kruzifix stelle daher einen Eingriff in die negative Glaubensfreiheit dar, also das Recht, sich von religiösen Einflüssen fernzuhalten.
Für das Anbringen von Kruzifixen an staatlichen Gymnasien gebe es zudem keine gesetzliche Grundlage. Die Schule hätte das Kreuz deshalb entfernen müssen – zumindest während der Anwesenheitszeiten der Klägerinnen.
Alternativunterricht bleibt zulässig
Anders beurteilte das Gericht den verpflichtenden Alternativunterricht während religiöser Veranstaltungen. Solange keine versteckte Teilnahmeverpflichtung am Gottesdienst besteht und neutrale Inhalte vermittelt werden, sei diese Form der Gleichbehandlung zulässig. Einen Anspruch auf Freistellung vom Unterricht gebe es nicht.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Innerhalb eines Monats kann Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.
Was bedeutet das für Schulen und Eltern?
Das Urteil unterstreicht die Pflicht staatlicher Schulen zur weltanschaulichen Neutralität. Religiöse Symbole in zentralen Bereichen müssen hinterfragt werden – insbesondere, wenn sie sich nicht vermeiden lassen. Gleichzeitig zeigt die Entscheidung, dass schulische Ersatzangebote für Gottesdienste unter bestimmten Bedingungen rechtlich zulässig bleiben.