LUXEMBURG. Engpässe bei Medikamenten bleiben für die Europäische Union ein gravierendes Problem. Wie aus einem aktuellen Bericht des Europäischen Rechnungshofs hervorgeht, erreichten die Meldungen über Arzneimittelknappheit in den Jahren 2023 und 2024 ein Rekordniveau. Trotz einzelner Fortschritte fehlt weiterhin ein wirksames EU-weites System zur Verhinderung kritischer Versorgungsengpässe.
Der Sonderbericht 19/2025 verdeutlicht: Zwischen Januar 2022 und Oktober 2024 wurden in den EU-Mitgliedstaaten bei insgesamt 136 Medikamenten kritische Engpässe verzeichnet. Betroffen waren sowohl patentierte Arzneimittel als auch Generika und Impfstoffe. Besonders problematisch wird es, wenn es im betroffenen Land keine therapeutische Alternative gibt und nur ein gemeinsames EU-Vorgehen den Mangel beheben kann.
Klaus-Heiner Lehne, zuständiges Mitglied des Europäischen Rechnungshofs, betonte: „Arzneimittelengpässe können schwerwiegende Folgen für Patienten haben, die öffentliche Gesundheit gefährden und sind mit hohen Kosten verbunden. Die EU braucht eine wirksame Lösung, die an der Wurzel ansetzt.“ Derzeit reichten rechtliche Befugnisse und verfügbare Informationen für ein schnelles Handeln nicht aus.
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) spielt seit der Pandemie zwar eine zunehmend koordinierende Rolle, ist jedoch rechtlich nicht befugt, Mitgliedstaaten außerhalb von Krisenzeiten aktiv zu unterstützen. Zudem werde sie von der Pharmaindustrie oft zu spät über drohende Lieferausfälle informiert. Eine EU-weite Liste kritischer Arzneimittel sei zwar ein Fortschritt, sichere aber noch keine bessere Verfügbarkeit, so der Bericht.
Ein zentrales Problem liegt in den zersplitterten Arzneimittelmärkten der EU-Staaten. So seien selbst EU-weit zugelassene Medikamente nicht in allen Ländern verfügbar. Unterschiede bei Verpackungsvorgaben und Zulassungsverfahren erschweren zusätzlich den Binnenhandel und damit auch die flexible Umverteilung bei Engpässen.
Laut Bericht haben viele EU-Länder begonnen, Medikamente zu horten – teils auf Kosten der Verfügbarkeit in anderen Ländern. Die Kommission habe zwar erste Gesetzesinitiativen gestartet, darunter das Arzneimittelgesetz 2023 und ein Vorschlag zur Regelung kritischer Medikamente aus dem Jahr 2025. Diese Maßnahmen seien jedoch noch in der Umsetzung und könnten nicht alle strukturellen Probleme lösen.
Für Bürgerinnen und Bürger im Emsland oder der Grafschaft Bentheim bedeuten solche Entwicklungen: Auch gängige Medikamente könnten im Ernstfall nicht verfügbar sein, wenn internationale Lieferketten versagen oder politische Abstimmungen fehlen. Die Forderung nach strategischer Autonomie in der Arzneimittelversorgung bleibt deshalb ein zentrales Thema – auch für die regionale Gesundheitssicherheit.
Quelle: Europäischer Rechnungshof. Foto: Europäischer Rechnungshof