Neustadt an der Weinstrasse. Wie verändert sich Pressearbeit im Zeitalter von KI und digitalen Plattformen? Diese Frage beschäftigt nicht nur Redaktionen, sondern auch Unternehmen, Vereine und Organisationen – auch in der Region Emsland und Grafschaft Bentheim. Medienexperte Dr. Jürgen Rink, langjähriger Chefredakteur des IT-Magazins c’t, spricht im Interview mit Regionalupdate über Zielgruppen, klassische Pressemitteilungen und neue Chancen durch generative KI.
Herr Dr. Rink, ist klassische Pressearbeit im Social-Media-Zeitalter überhaupt noch zeitgemäß?
Absolut – wenn sie zielgerichtet ist. Pressearbeit bedeutet, genau zu wissen, wen ich erreichen möchte und was ich mit meiner Botschaft bezwecke. Social Media funktioniert dagegen ganz anders: Inhalte werden dort nicht gezielt verteilt, sondern vom Algorithmus gesteuert. Das ist ein großer Unterschied – und macht Social Media für ernsthafte Pressearbeit weniger passend. Authentizität ist hier entscheidend. Lobeshymnen mögen im Marketing funktionieren, in Pressemitteilungen wirken sie schnell unglaubwürdig.
Wie haben Digitalisierung und KI die Medienarbeit verändert?
Das muss man klar trennen. Die Digitalisierung läuft seit 30 Jahren, KI erleben wir gerade erst richtig. Am Anfang hat die Pressearbeit die Digitalisierung eher verschlafen – viele Pressemitteilungen kamen zu spät oder ohne verwertbare Zusatzinhalte. Und heute? Immer noch dominiert der nackte Text, oft sogar ohne Links, Bilder oder O-Töne.
Und bei der KI?
Da stehen wir am Anfang einer Revolution. Mit generativer KI lassen sich Presseinhalte ganz anders aufbereiten – nicht nur textlich, sondern auch in neuen Formaten. Eine einfache Pressemitteilung kann per DeepL Write optimiert werden, ein GPT-Modell erstellt daraus eine ausführlichere Version, ein KI-Tool wie Notebook LM wandelt sie in ein Podcast-Skript oder ein Video um. Selbst ein CEO kann als Avatar auftreten – in der Sprache des Zielpublikums, komplett automatisiert. Das ist hochgradig effizient und für viele noch Zukunftsmusik.
Ein klarer Vorteil gegenüber einem einfachen LinkedIn-Post?
Definitiv. Ein Social-Post wird von Algorithmen verteilt – man weiß nie, wer ihn zu sehen bekommt. Pressearbeit dagegen ist gezielt gerichtet. Ich kenne meinen Adressaten und gestalte den Content so, dass er bei ihm Wirkung entfaltet. Auf Social Media lässt sich das nicht kontrollieren.
Was läuft bei Pressemitteilungen häufig schief?
Viele vermischen Pressearbeit mit Marketing. Eine PM soll informieren, nicht werben. Leserinnen und Leser merken sehr schnell, wenn etwas zu glatt wirkt oder die Realität verschleiert wird. Dieses Unterschätzen des Publikums und fehlende Authentizität ist ein häufiger Fehler.
Wie können kleine Organisationen ohne professionelle PR trotzdem sichtbar werden?
KI bietet hier echte Chancen. Schon mit einfachen Tools lässt sich hochwertiger Content produzieren – und das in verschiedenen Formaten. Hinzu kommt: Klassische Google-Suchergebnisse verlieren an Bedeutung, weil Nutzern oft die KI-Zusammenfassung auf der Ergebnisseite genügt. Wer heute sichtbar bleiben will, muss seine Inhalte so strukturieren, dass sie von KI-Systemen wie ChatGPT oder Google AI Overviews erkannt und genutzt werden. Das ist das neue SEO – unter neuen Namen wie LLMO, GEO oder AI-SEO.
Welche Inhalte funktionieren besonders gut?
Das hängt von der Zielgruppe ab – und vom Format. Manchmal ist ein langer Text ideal, manchmal ein kurzes Video. Oder ein knackiger Podcast. Wichtig ist, dass der Content nicht nur informativ ist, sondern auch in der passenden Form vorliegt.
Und wo sehen Sie persönlich die größte Chance für die Pressearbeit der Zukunft?
Ganz klar im Zusammenspiel von Technologie und journalistischer Qualität. Mit generativer KI lassen sich Inhalte nicht nur schneller, sondern auch passgenauer erstellen – in einer Qualität, die auch kleine Organisationen professionell wirken lässt. Das ist ein echter Hebel.
Quelle: Interview mit Dr. Jürgen Rink, Medienexperte und langjähriger Chefredakteur des IT-Magazins c’t, seit 2023 KI-Berater und Coach. Kontakt: juergen.rink@posteo.de (JM)