Lingen. Wenn jemand von sich sagt, er höre mit den Händen – dann meint das oft etwas Spirituelles. Bei Simone Assmann klingt es wie eine medizinische Mission. In ihrer Praxis in Lingen hilft sie Menschen, Schmerzen zu lindern, indem sie mit den Fingerspitzen dem Körper zuhört. Ihre Methode: Faszienbehandlung. Ganz ohne Tabletten, aber mit spürbarer Wirkung.
„Faszien sind mehr als nur Verpackung“, sagt Simone Assmann. Sie geben dem Körper Form und Stabilität, übertragen Kräfte, sind durchzogen von Nervenenden – und können bei Stress, Verletzungen oder Bewegungsmangel regelrecht rebellieren. Dann verkleben sie, verhärten sich oder verdrehen sich sogar, was zu dumpfen, ziehenden oder wandernden Schmerzen führt. „Viele meiner Patientinnen und Patienten kommen mit Beschwerden, die keine eindeutige Diagnose haben – aber die Ursache liegt oft im Bindegewebe.“
Zeit statt Tabletten: Der sanfte Weg aus dem Schmerz
In der klassischen Physiotherapie fehle oft die Zeit für eine ganzheitliche Betrachtung, erklärt sie. Ihre Sitzungen dauern deshalb bis zu 90 Minuten. „Ich beginne mit einem ausführlichen Anamnesegespräch – dabei geht es um alles, was im Leben Spuren hinterlässt: alte Verletzungen, Stress, psychische Belastungen.“ Denn: Der Körper vergisst nichts.
Die Vorteile gegenüber herkömmlichen Schmerztherapien liegen für Assmann auf der Hand: „Ich behandle nicht nur Symptome, sondern suche nach der Ursache und arbeite daran, Medikamente überflüssig zu machen.“
Wo Faszien helfen können – und wo nicht
Das Spektrum an Schmerzen, das mit Faszienarbeit gelindert werden kann, ist breit: von Nackenverspannungen über Rückenschmerzen bis hin zu Gelenkblockaden. Auch Kopfschmerzen, Narbenschmerzen und stressbedingte Beschwerden wie bei Fibromyalgie sprechen oft gut auf die Therapie an.
Aber sie betont auch Grenzen: „Bei akuten Entzündungen, Thrombosen, frischen Verletzungen oder starken Durchblutungsstörungen ist Vorsicht geboten – da ist Faszienarbeit nicht das Mittel der Wahl.“
Was bei einer Sitzung passiert
Wie läuft eine Behandlung ab? „Ich gehe mit meinen Daumen und Zeigefingern langsam über die Strukturen und spüre die Verklebungen auf“, erklärt Assmann. Dabei wird nicht nur die betroffene Seite behandelt, sondern immer der ganze Körper. „Wer Schmerzen hat, schont sich – dadurch wird oft die andere Seite überlastet. Das berücksichtige ich immer.“
Die Wirkung? „Bessere Durchblutung, entspannte Nerven, mehr Beweglichkeit und ein Gefühl von Leichtigkeit“, sagt sie. „Faszienbehandlung bringt das Bindegewebe wieder ins Fließen.“
Vertrauen statt Schmerz: Ein Prozess
Erste Erfolge? Die können schnell kommen – müssen aber nicht. „Manche Patienten sind ängstlich, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Dann ist mein erstes Ziel: Vertrauen aufbauen.“ Schmerz dürfe kein Feind sein, sondern ein Signal. „Wenn wir lernen, dem Körper zuzuhören, können sich Dinge lösen – auf ganz neue Weise.“
Werkzeuge und Methoden
Die Arbeit mit den Händen steht im Mittelpunkt. Doch auch Schröpfmassage, Faszienrollen oder Bälle kommen zum Einsatz – wenn richtig eingesetzt. „Ich sehe oft, wie Leute schnell über die Rolle hetzen. Das bringt wenig. Man muss langsam und gezielt auf die Schmerzpunkte.“
Prävention statt Chronifizierung
Faszienbehandlung ist nicht nur Therapie – sie kann auch vorbeugen. „Wenn man Spannungen früh erkennt und löst, können Fehlhaltungen und Dauerschmerzen vermieden werden.“ Zudem verbessere sich die Körperwahrnehmung und die Resilienz gegenüber Stress. „Faszientherapie ist wie ein Frühwarnsystem“, sagt Assmann.
Was Patienten selbst tun können
Nach der Behandlung empfiehlt sie: ausruhen, Wasser trinken, auf den Körper hören. Und: „Der Folgetermin ist wichtig. Da sehe ich, wie die Behandlung gewirkt hat, und plane die nächsten Schritte.“
Was Faszien nicht sind – und was doch
„Es gibt viele Mythen“, sagt sie. Dass Faszien nur ein Trend seien oder die Therapie bloß Massage – das ärgere sie. „Faszientherapie geht tiefer. Sie verändert das Gewebe, die Wahrnehmung, die Beweglichkeit.“ Und nein, es müsse nicht wehtun, um zu wirken. „Starker Schmerz blockiert eher.“
Auch Sportler seien nicht die einzigen, die profitieren. „Gerade Menschen mit Bürojob oder Dauerstress haben oft verklebte Faszien.“ Und: „Faszienrollen sind ein tolles Tool, aber kein Ersatz für gezielte Behandlung.“
Was die Forschung sagt
Die wissenschaftliche Grundlage wächst. Studien belegen positive Effekte bei Rückenschmerzen, Fibromyalgie und Beweglichkeitsproblemen. In Deutschland forschen unter anderem die Fascia Research Group um Prof. Dr. Robert Schleip (Ulm/TUM), das Julius Wolff Institut an der Charité und die TU Chemnitz an Methoden und Wirkmechanismen.
Gesundheit ist kein Luxus
Zum Schluss wird Assmann noch einmal persönlich: „Viele investieren in Autos oder Handys. Aber was nützt das schönste Auto, wenn man vor Schmerzen im Bett liegt?“ Gesundheit sei kein Luxus, sondern Voraussetzung für Lebensfreude. „Wer lernt, sich selbst zuzuhören, hat den ersten Schritt zur Heilung schon getan.“
Quelle: Interview mit Simone Assmann, Faszienretterin, Juli 2025. Foto: KI generiert