Port-au-Prince. Die Gewalt in Haiti hat nach Angaben von UNICEF zu einer beispiellosen Vertreibungskrise geführt. Binnen eines Jahres hat sich die Zahl der Kinder, die im eigenen Land vertrieben wurden, fast verdoppelt. Etwa 680.000 Minderjährige leben inzwischen unter prekären Bedingungen fern ihres Zuhauses – betroffen sind über die Hälfte aller Binnenflüchtlinge im Land.
Wie UNICEF in seinem heute veröffentlichten Bericht mitteilt, sind derzeit über 1,3 Millionen Menschen in Haiti auf der Flucht. Der Anstieg ist laut Organisation vor allem auf bewaffnete Konflikte, den Zusammenbruch staatlicher Strukturen und den eingeschränkten Zugang zu humanitärer Hilfe zurückzuführen. Besonders dramatisch: Viele Kinder mussten bereits mehrfach fliehen.
„Jedes Mal, wenn sie zur Flucht gezwungen werden, verlieren sie nicht nur ihr Zuhause, sondern auch die Möglichkeit, zur Schule zu gehen und einfach nur Kind zu sein“, sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. Schulen werden vielerorts als Notunterkünfte genutzt, was den Schulalltag für fast eine halbe Million Kinder unterbricht.
In 33 Prozent der Notunterkünfte fehlt es laut Bericht an Schutzräumen für Familien, was insbesondere für Kinder und Frauen das Risiko von Missbrauch und Gewalt erhöht. Bewaffnete Gruppen kontrollieren über 85 Prozent der Hauptstadt Port-au-Prince. Straßen sind oft unpassierbar, was sowohl den Zugang zu Hilfsgütern als auch die Arbeit humanitärer Helfer gefährlich macht.
Der Bedarf ist enorm: Über 3,3 Millionen Kinder benötigen humanitäre Unterstützung, mehr als eine Million Kinder leiden unter akuter Ernährungsunsicherheit. Rund 290.000 Kinder unter fünf Jahren sind von schwerer Mangelernährung bedroht. Dennoch fehlen laut UNICEF nach wie vor ausreichende Mittel, um wichtige Hilfsprogramme aufrechtzuerhalten.
UNICEF hat 2025 bereits mehr als 86.000 mangelernährte Kinder medizinisch versorgt, 140.000 Menschen mit sauberem Trinkwasser und 117.000 mit Gesundheitsdiensten erreicht. Zudem wurden 178 Kinder, die mit bewaffneten Gruppen in Kontakt standen, in ihre Gemeinden reintegriert. Doch die Lage bleibt kritisch.
Die Organisation appelliert eindringlich an die internationale Gemeinschaft, rasch zu handeln: Es brauche sichere Unterkünfte, Gesundheitsversorgung, Schulzugang und Programme zur psychosozialen Unterstützung. „Die Kinder in Haiti können nicht warten“, betont Russell. „Sie verdienen eine Chance auf Sicherheit, Gesundheit und ein Leben in Frieden – wie jedes Kind weltweit.“
Auch wenn die Ereignisse weit entfernt scheinen, unterstreicht die Lage in Haiti, wie verwundbar Kinder in Krisenregionen sind – ein Thema, das über die regionalen Grenzen hinausgeht und auch für Menschen im Emsland und in der Grafschaft Bentheim ein Bewusstsein für globale Verantwortung schaffen kann.
Quelle: UNICEF Deutschland. Foto: © UNICEF/UNI792737/Herold Joseph