München. Die Bauwirtschaft in Deutschland steht nach Ansicht des Bau- und Immobilienexperten Klaus-Peter Stöppler vor einem kritischen Wendepunkt. Wenn nicht rasch gegengesteuert wird, drohe ein ähnlicher Strukturbruch wie ihn die Autoindustrie bereits erlebt – mit massiven Folgen für den Arbeitsmarkt und die wirtschaftliche Infrastruktur.
Bürokratie, Investitionsstau und Digitalisierungsmängel bremsen Bauwirtschaft
Stöppler, einer der renommiertesten Interim Manager Deutschlands, verweist auf die Dramatik der Lage: Rund 2,6 Millionen Arbeitsplätze seien direkt oder indirekt vom Bau abhängig – mehr als doppelt so viele wie in der Automobilbranche. Letztere rechnet mit einem Stellenabbau von etwa 100.000 bis 2030. „Niemand kann eine ähnliche Entwicklung im Bausektor wollen“, so Stöppler. Doch 2025 zeichne sich bereits als fünftes Jahr in Folge mit realem Umsatzminus ab.
Besonders kritisch sieht der Branchenkenner die Verwendung des 500-Milliarden-Euro-Sondervermögens zur Modernisierung Deutschlands. Statt dringend benötigte Impulse für Bauprojekte zu setzen, drohten die Mittel laut Stöppler in Haushaltslöchern zu verschwinden. Begleitet werde dies von einem Investitionsstau auf kommunaler Ebene – laut KfW in Höhe von rund 215 Milliarden Euro – und einem „Reformstau“, der Bauprojekte bürokratisch lähme.
„Bauen ist ein Spießrutenlauf“, sagt Stöppler. Komplexe Genehmigungsverfahren, fehlende Digitalisierung in den Bauämtern und langwierige Abstimmungen mit bis zu zehn Behörden bremsen laut seiner Analyse die Umsetzung erheblich. Etwa 85 Prozent der Projektdauer entfallen auf Verwaltungsprozesse.
Innovationsstau auch in der Branche selbst
Neben der Politik nimmt Stöppler jedoch auch die Branche in die Pflicht. Eine zu geringe Innovationsbereitschaft, sinkende Investitionen in Technik und Digitalisierung sowie eine rückläufige Arbeitsproduktivität um fast 25 Prozent in 25 Jahren seien hausgemachte Probleme. „Die Bauwirtschaft darf nicht wie das Kaninchen auf die Bürokratieschlange starren“, mahnt er. Chancen lägen in digitalen Planungsmethoden wie Building Information Modeling (BIM), Robotik und KI.
Der Experte zieht einen Vergleich zur Autoindustrie, die Trends wie Elektromobilität und autonomes Fahren lange ignoriert habe. Die Bauwirtschaft müsse daraus lernen, ihre Prozesse modernisieren und unabhängiger von politischen Impulsen werden.
Stöppler wird seine Thesen bei der Buchvorstellung „Wirtschaftswende jetzt!“ am 28. Oktober im Presseclub München vorstellen. Weitere Informationen unter www.diplomatic-council.org/de/wirtschaftswende
Quelle: Klaus-Peter Stöppler / Diplomatic Council. Foto: Archivbild