Berlin. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) übt deutliche Kritik an der Bundesregierung: Trotz öffentlicher Distanzierung hält sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) offenbar eine Wiederaufnahme des Zertifizierungsverfahrens für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 offen. Das geht aus einer offiziellen Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der DUH hervor. Die Umweltorganisation fordert nun den endgültigen Entzug der Betriebsgenehmigung und wirft der Regierung mangelnde Transparenz vor.
Verdeckte Gedankenspiele um Europas umstrittenste Gaspipeline
Wie die DUH berichtet, hat das BMWE eingeräumt, dass eine Wiederaufnahme des „ruhend gestellten Verfahrens“ nicht ausgeschlossen sei. Die Pipeline Nord Stream 2 war bereits fertiggestellt, wurde jedoch aufgrund geopolitischer und rechtlicher Bedenken nie in Betrieb genommen. Hauptkritikpunkt bleibt die einseitige Abhängigkeit von russischem Gas und die daraus resultierenden Risiken für die europäische Versorgungssicherheit.
„Wenn Bundeskanzler Merz es ernst meint mit der Abkehr von fossilen Abhängigkeiten, muss er die Überlegungen im Haus von Ministerin Reiche beenden“, fordert DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. „Ein klarer Kurs erfordert den endgültigen Rückzug der Betriebserlaubnis.“ Müller-Kraenner verweist auf die Bedeutung europäischer Sanktionen und die sicherheitspolitischen Interessen der Ukraine.
DUH veröffentlicht brisanten Entwurf des Versorgungssicherheitsberichts
In einer weiteren Eskalation veröffentlicht die DUH den bislang unter Verschluss gehaltenen Entwurf eines Versorgungssicherheitsberichts, der bereits unter Wirtschaftsminister Robert Habeck erstellt wurde. Der Bericht kommt laut DUH zu dem Schluss, dass Nord Stream 2 nicht zur Versorgungssicherheit beiträgt, sondern sie im Gegenteil gefährdet.
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH, betont: „Nord Stream 2 war nie ein rein wirtschaftliches Projekt, sondern diente den strategischen Interessen Russlands.“ Die Veröffentlichung sei ein Akt der Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit, nachdem mehrere Anfragen der DUH nach dem Umweltinformationsgesetz abgelehnt worden seien.
Forderung nach politischer Klarheit statt technokratischer Verfahren
Die DUH fordert die Bundesregierung auf, das Verfahren nicht nur ruhen zu lassen, sondern aktiv zu beenden – durch den Widerruf der Betriebserlaubnis. Dies sei nicht nur ein umweltpolitisches Gebot, sondern auch ein Signal außenpolitischer Verlässlichkeit gegenüber europäischen Partnern.
Die Pipeline, die durch die Ostsee bis nach Lubmin bei Greifswald führt, war seit ihrer Planung politisch umstritten. Gegner warfen dem Projekt schon früh vor, europäische Energieinteressen zu unterlaufen und Russland politische Einflussmittel zu verschaffen. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine steht Nord Stream 2 endgültig in der Kritik – auch wenn sie offiziell nie in Betrieb ging.
Die vollständige Stellungnahme und der veröffentlichte Berichtsentwurf sind über die DUH-Website abrufbar (www.duh.de).
Quelle: Deutsche Umwelthilfe e. V.