Die Leistungsfähigkeit wichtiger Organe nimmt im Alter ab, selbst bei Menschen, die als gesund gelten. Der Schlüssel zu diesem Phänomen liegt oft in unterschwelligen, chronischen Entzündungsreaktionen im Körper. Eine Forschungsgruppe aus Wien und Potsdam hat nun einen wesentlichen Verursacher dieser Alterungsprozesse identifiziert: Bestandteile von Darmbakterien im Blut.
Die schwache Darmbarriere als Ursache
Normalerweise werden abgestorbene Darmbakterien (Teil des Darmmikrobioms) einfach ausgeschieden. Doch unter bestimmten Umständen können Teile davon, insbesondere bakterielle Endotoxine von sogenannten gramnegativen Bakterien, in den Blutkreislauf gelangen und ernsthafte Organschäden verursachen.
Bei gesunden Menschen verhindert eine schützende Schicht aus Zellen und Proteinen in der Darmwand – die Darmbarriere – das Eindringen dieser Giftstoffe. Diese Barriere wird jedoch durch hohen Alkoholkonsum, fett- und zuckerreiches Essen sowie andere Faktoren durchlässiger (Leaky Gut). Die Folge: Bakterielle Endotoxine können Entzündungsreaktionen auslösen, die unter anderem zur Entstehung von Fettlebererkrankungen beitragen.
Altern macht den Darm durchlässig
Unabhängig vom Lebensstil schwächt sich die Barrierefunktion der Darmwände bei fast allen Menschen im Laufe des Lebens ab. Die sogenannten Tight-Junction-Proteine, die Lücken zwischen den Zellen der Darmwand schließen, werden im Alter deutlich weniger. Dadurch können die bakteriellen Endotoxine vermehrt übertreten und verursachen leichte, aber dauerhafte Entzündungen im Körper.
Im vom FWF geförderten Projekt „Altern und bakterielles Endotoxin“ untersuchten Forschende um Prof. Dr. Ina Bergheim (Universität Wien) und Annika Höhn (DIfE), wie diese Prozesse zur Schwächung wichtiger Organe wie Leber und Bauchspeicheldrüse beitragen. Beide Organe sind zentrale Regulatoren von Stoffwechsel und Verdauung und reagieren empfindlich auf chronische Entzündungsreize, die bis zu Vernarbungen (Fibrose) führen können.
Das Immunsystem überlisten: Forschung an Mäusen
Um den direkten Zusammenhang zwischen den Bakterientoxinen und den Alterungserscheinungen zu belegen, nutzte das Team ein Mausmodell. Sie schalteten bei den Tieren gezielt die sogenannten Toll-Like-Rezeptoren (TLR) aus. Diese Rezeptoren sitzen auf Immunzellen (wie den Kupffer-Zellen in der Leber) und sind für das Erkennen der bakteriellen Endotoxine zuständig.
Das Ergebnis war eindeutig: Die Mäuse, deren TLRs ausgeschaltet waren, zeigten im Alter deutlich weniger Entzündungen und fibrotische Veränderungen in der Leber als Vergleichsmäuse mit normaler Immunreaktion.
Grundlage für Therapien und Vorsorge
Die Forschung bestätigt, dass die schädlichen Bakterienbestandteile auch bei gesunden, normalgewichtigen älteren Menschen im Blut ansteigen. Während eine Ausschaltung des Immunsystems beim Menschen keine Therapieoption ist, bietet das bessere Verständnis dieser Entzündungsmechanismen neue Ansatzpunkte.
Ein Weg, bei dem der chronische Stress durch die Bakterientoxine ausgeschaltet werden kann, ohne die allgemeine Immunabwehr zu beeinträchtigen, wäre ein großer Gewinn. Die Ergebnisse könnten künftig helfen, präventive Maßnahmen durch eine angepasste Ernährung zu entwickeln, um die altersbedingte Organdegeneration hinauszuzögern.