Berlin/Shanghai – Autonome Fabriken, in denen Roboter ohne menschliches Eingreifen produzieren, sind in Asien längst Realität. Laut Karlheinz Zuerl, CEO der German Technology & Engineering Corporation (GTEC), wird sich dieser Trend auch in Europa durchsetzen – jedoch mit Verzögerung. Während Europa noch von Industrie 4.0 spricht, befinden sich viele asiatische Länder bereits auf dem Weg zur Industrie 5.0.
Europa hinkt hinterher
Zuerl verweist auf den aktuellen „World Robotics-Report 2024“ der International Federation of Robotics, der einen historischen Höchststand von 4,3 Millionen installierten Industrierobotern weltweit vermeldet. Über die Hälfte der neuen Installationen im Jahr 2023 entfiel auf China, während Europa lediglich 17 Prozent für sich verbuchen konnte. Deutschland, größter europäischer Markt, verzeichnete einen Zuwachs von nur 7 Prozent.
Die Darstellung der Fortschritte in Deutschland sei oft geschönt, kritisiert Zuerl: „In Studien der Branchenverbände wird jede WLAN-fähige Maschine als Industrie-4.0-Technologie gezählt – ein verzerrtes Bild der tatsächlichen Innovationskraft.“
Tesla setzt Maßstäbe, BMW hinkt hinterher
Ein anschauliches Beispiel bietet laut Zuerl die Autoindustrie: Während BMW im Werk Dingolfing fertige Fahrzeuge mit externer Sensorik fahrerlos zur Qualitätskontrolle schickt (Industrie 4.0), fahren in Teslas Werk in Fremont die Fahrzeuge ohne jegliche externe Hilfe autonom (Industrie 5.0). Chinesische Hersteller bewegen sich laut Zuerl bereits zwischen Stufe 4.5 und 5.0.
Digitale Zwillinge revolutionieren die Produktion
In Asien erleben sogenannte „Autonomous Production Twins“ (APT) einen Boom. Diese digitalen Zwillinge verknüpfen Echtzeitdaten, Künstliche Intelligenz und Vernetzung, um Produktionsprozesse selbstständig zu steuern und zu optimieren. „Solche Systeme können etwa bei Materialengpässen eigenständig Produktionspläne anpassen“, erläutert Zuerl.
Der Effekt: Betriebskosten sinken um bis zu 25 Prozent, die Produktivität steigt um bis zu 30 Prozent und Fehlerquoten verringern sich um bis zu 40 Prozent.
Empfehlung: Lernen von Asien
Zuerl empfiehlt europäischen Unternehmen, Pilotfabriken in Asien zu errichten, um Erfahrungen mit autonomen Produktionsprozessen zu sammeln. Obwohl Sensorik, Software und Infrastruktur etwa ein Drittel der Investitionskosten ausmachen, rechnen sich die Ausgaben bereits im ersten Jahr – dank geringerer Personalkosten, höherer Flexibilität und besserer Qualität.
Foto: GTEC