Bonn – Mit mehr als 100.000 angekündigten Stellenstreichungen allein in den ersten Monaten des Jahres 2025 zeichnet sich in Deutschland eine bedrohliche Entwicklung ab. Harald Müller, Geschäftsführer der Bonner Wirtschafts-Akademie (BWA), spricht offen von einer fortschreitenden Deindustrialisierung des Landes.

Besonders betroffen sind Konzerne wie Volkswagen, Siemens, Bosch oder Thyssenkrupp, aber auch Mittelständler und Zulieferer kämpfen mit massiven Einschnitten. Müller warnt: „Das ist keine kurzfristige Delle, sondern ein tiefgreifender Strukturwandel – und bislang fehlt eine überzeugende Strategie, wie dieser aufgefangen werden kann.“

Ursachen: Energiepreise, Bürokratie, Digitalisierung

Die Ursachen sieht Müller weniger in geopolitischen Spannungen, sondern in hausgemachten Problemen: hohe Energiepreise, überbordende Bürokratie, Fachkräftemangel und eine schleppende Digitalisierung. Auch der Glasfaser- und Mobilfunkausbau sei zu langsam, gerade in ländlichen Regionen, so Müller. Besonders kritisch sieht er die Defizite bei digitalen Verwaltungsprozessen: Nur 20 Prozent der Kommunen in Deutschland seien derzeit in der Lage, Bauanträge digital zu bearbeiten.

Dienstleistungswandel braucht digitale Kompetenz

Die Hoffnung, dass Deutschland als Dienstleistungsgesellschaft in die Zukunft findet, sei laut Müller nur dann realistisch, wenn die digitale Infrastruktur deutlich verbessert werde. Fehlende Digitalkompetenz und regulatorische Hürden, etwa beim Einsatz Künstlicher Intelligenz, stünden einer erfolgreichen Transformation im Weg.

Appell an die Politik

Müller richtet einen eindringlichen Appell an die neue Bundesregierung: „Wir brauchen jetzt mutige Strukturreformen, Digitalisierung mit Substanz – und keine weitere Symbolpolitik.“ Ein misslungener Wandel könne nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich schwerwiegende Folgen haben.