Lars Lubienetzki bezeichnet sich selbst als „Sprachkünstler“. Er ringt um die bestmöglichen Wörter, komponiert sie ähnlich wie ein Maler Farben auf einer Leinwand. Doch in einer Zeit, in der KI Texte im Minutentakt ausspuckt und SEO über allem zu stehen scheint, stellt sich die Frage, ob diese Leidenschaft noch Relevanz hat. Im Gespräch mit Jörg Maire beleuchtet der Kommunikationsprofi seine Philosophie, die persönliche Seite seiner Arbeit und verrät, warum eine fesselnde Dramaturgie wichtiger ist als jeder Algorithmus.
Vom Pipapo zum Sprachkünstler
Seine Leidenschaft für die Sprache drückt Lars Lubienetzki am besten mit einem Wortspiel aus: „Texte mit Pi, vor allem Pa und ganz viel Po.“ Dahinter steckt ein Begriff aus seiner Kindheit im Ruhrgebiet, den die Erwachsenen benutzten, um etwas als rundum perfekt zu beschreiben, das keine Wünsche offenlässt. „So etwas möchte ich im übertragenen Sinne für meine Kundinnen und Kunden sein“, erklärt er. Ein Verfasser von Geschichten, die gerne gelesen werden und einen positiven Eindruck hinterlassen.
Genau das ist es, was er unter seiner Selbstbezeichnung als Sprachkünstler versteht. Es gehe nicht nur darum, den Inhalt einer Geschichte schnell herunterzuschreiben, sondern durch sprachliche Finessen die Geschichte für die Leserschaft zum Strahlen zu bringen. Seine Arbeit sei wie „Malen eines Bildes, wo es Zeit braucht, die Farben richtig auf der Leinwand zu komponieren.“
Mehr als nur SEO: Die Macht der Dramaturgie
Was macht für ihn einen guten Text aus, jenseits von Grammatik und SEO? „Ich könnte jetzt angeberisch behaupten, meine Geschichten funktionieren schon immer so, wie sie Suchmaschinen mögen“, lacht Lars. Doch er bleibt ehrlich: „Eine gute Geschichte sorgt für Bilder im Kopf und lässt im besten Falle das Herz schneller oder höherschlagen.“ Er zieht den Vergleich zum Familienonkel, der zwar viel erzählt, aber nicht auf den Punkt kommt. „Ein guter Text sollte aus meiner Sicht eine fesselnde Dramaturgie haben, einen roten Faden, ähnlich wie ein Film, nur eben mit Sprache gedreht.“
Mit dieser Philosophie gelingt es ihm auch, komplexe Themen wie KI oder die Energiewirtschaft so zu erzählen, dass sie Menschen berühren. „Ich bin selbst auch Leser. Daher schreibe ich das auf, was mich interessiert“, erklärt er. Oftmals neigen Unternehmen dazu, Pressemeldungen zu verfassen, in denen nur technische Features gefeiert werden, die außerhalb der eigenen Forschungsabteilung niemand versteht. Er ist überzeugt: Eine Geschichte sollte immer etwas mit der Lebenswirklichkeit der Leserinnen und Leser zu tun haben. „Emotionale Berührungspunkte sind enorm wichtig. Dann ist es egal, um welches Thema es sich handelt.“
Wenn alle nur noch voneinander abschreiben: Die KI-Falle
In den über 30 Jahren, in denen er mit Worten arbeitet, hat sich vor allem die Anzahl der Kanäle vervielfacht. Doch obwohl heute mehr Texte als je zuvor benötigt werden, bleiben viele davon an der Oberfläche. Die Künstliche Intelligenz macht das Ganze aus seiner Sicht nicht besser. „Nun werden bereits vorhandene Texte in den Wortmixer gepackt und kommen neu ausgewürfelt heraus. Das klingt alles schön, hat aber nichts mit Sprache zu tun. Das ist reine Mathematik.“ Wer sich damit zufriedengebe, werde sich bald in der „inhaltlichen Bedeutungslosigkeit wiederfinden.“ Denn wenn sich dank KI alle nur noch voneinander abschreiben, wo blieben dann die „sprachlichen Leuchttürme“?
Die Übergänge zwischen Journalismus und PR seien in den letzten Jahren ebenfalls immer unsichtbarer geworden. Viele, ehemals im klassischen Medienbereich unterbezahlte Journalisten, seien in die PR gewechselt. Hinzu kommt, dass Social Media die Grenzen verwischt habe. „Inzwischen ist jeder User eine Art Marketingmaschine“, meint er. Auch die Medien selbst hätten dazu beigetragen, wenn heute Artikel im Nachrichtenteil landen, die früher auf der Meinungsseite gestanden hätten. „Wenn ich in der Berichterstattung mit persönlichen Sichtweisen belästigt werde, ist das für mich eine Art Nachrichtenmarketing.“
Emotionale Berührungspunkte: Das Herz der Geschichten
Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert sich Lars Lubienetzki ehrenamtlich als Lesepate und auf der Kinderinsel in Siegen. Sein Engagement hat ihn demütig gemacht, vor allem die Freundschaft zu einem jungen Mann in der Kinderinsel. Dort leben Kinder und junge Menschen mit schweren Einschränkungen. Ihnen ein Stück weit Normalität zu schenken, erfüllt ihn sehr. „Das gilt auch für meine Vorlesekinder. Für sie ist nicht immer jemand da, um eine Geschichte vorzulesen. Darum übernehme ich das.“
Auf die Frage nach dem emotionalsten Projekt, an dem er je gearbeitet hat, denkt er sofort an die Kinderinsel. Zusammen mit dem Team versucht er, für seinen Freund einen ganz besonderen Tag auf dem Nürburgring zu planen: eine Fahrt über die Rennstrecke. Sein Freund kenne den Streckenverlauf nur aus Computerspielen und eine Fahrt im Renntaxi sei aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen nicht möglich. Aber es gäbe die Möglichkeit, die Fahrt in einem Sanitätsfahrzeug zu machen. „Vielleicht bekommen wir das dieses Jahr noch hin“, hofft er.
Empathie und Authentizität: Schreibtipps fürs Leben
„Empathie halte ich für wesentlich, um Geschichten zu schreiben, die gerne gelesen werden“, sagt Lars Lubienetzki. Ein Text sollte die Leserschaft berühren, und um das zu erreichen, müsse der Verfasser solche Gefühle aus eigener Erfahrung kennen. „Ein Text sollte tatsächlich eine Seele haben, ansonsten bleibt er eine Anhäufung von Wörtern.“ Was seine Themenauswahl angeht, lehnt er kategorisch Anfragen ab, die parteipolitisch gesteuert sind.
Sein wichtigster Schreibtipp für einen jungen Menschen fasst seine gesamte Philosophie zusammen: „Bleibe in deiner Sprachwelt und versuche nicht, dir etwas anzueignen, was du nicht verkörperst.“ Mit diesen Worten macht er deutlich, dass die Kunst der Worte nicht in der Perfektion, sondern in der Authentizität liegt.