Ein Gespräch mit Marion Lockert
Führung ist mehr als Strategie, Kennzahlen und Anweisungen. Sie beginnt in uns selbst. Davon ist Marion Lockert, eine erfahrene Beraterin für Führungskräfte, überzeugt. Im Gespräch tauchen wir ein in ihre Philosophie, die sich um innere Haltung, emotionale Kompetenz und archetypische Führung dreht. Sie verrät, warum die Seele im Business eine zentrale Rolle spielt und wie Unternehmen von einem menschlicheren Führungsstil profitieren können.
Führung mit innerer Heimat
Für Marion Lockert beginnt gute Führung bei einem selbst. „Als Führungskraft und auch natürlich sonst im Menschsein ist es wichtig, dass ich mit mir selber in Verbindung bin“, erklärt sie. Dieser Prozess führe dazu, dass man sich in seinem „So-Sein“ annehmen kann – mit all seinen Talenten, aber auch mit seinen Schatten, Ängsten und Problemen. „Wenn das alles mehr oder weniger gut angenommen ist, dann entsteht etwas in mir, wo ich gerne wohne. Und das ist die Heimat in sich selbst.“
Aus dieser inneren Stärke heraus sei es einfacher, sich selbst und andere zu führen. Man reagiere weniger auf äußere „Trigger“, die einen auf die Palme bringen, da man die Ursachen dieser Reibungen in sich selbst gelöst habe. „Auf die Palme bringen tun uns ja nur Dinge, die wir in uns selber als Spiegel tragen“, so Lockert.
Das Herz der Organisation: Emotionale Kompetenz
Wenn Führung nicht nur aus dem Kopf, sondern auch aus dem Herzen geschieht, verändert sich eine Organisation grundlegend. Sie sieht Unternehmen als „lebendige Organismen“, die von den Menschen getragen werden. Und in diesem lebendigen Gefüge spielen neben den strategischen und betriebswirtschaftlichen Aspekten auch die zwischenmenschlichen Beziehungen eine entscheidende Rolle.
Viele Probleme in Projekten oder im Team liegen seltener an fachlichen Mängeln, sondern vielmehr an „zwischenmenschlichen Reibungen, an Eitelkeiten, Eifersüchteleien, an Sympathien, Antipathien, Widerständen und so weiter.“ Hier setze die emotionale Kompetenz an. Authentisch zu sein bedeute, sich seiner selbst bewusst zu sein und seine Gefühle sichtbar zu machen, ohne sie anderen zuzuschieben. Das führe zu einer Atmosphäre, in der sich Menschen zugehörig und gemeint fühlen, und ihr gesamtes Potenzial einbringen.
Archetypische Führung: Die eigene Rolle finden
In der Fülle an Führungsliteratur, die oft eine starre Schablone vorgibt, plädiert Marion Lockert für Authentizität. „Es gibt keine Schablone für Führung“, betont sie. Sie arbeitet mit einem System, das sieben archetypische Grundrollen oder Grundenergien beschreibt: Heiler, Künstler, Krieger, Gelehrter, Weiser, Priester und König. Jeder Mensch agiere aus seiner Grundrolle heraus. So führe ein Heiler anders als ein Gelehrter und ein Künstler anders als ein König. Das sei auch gut und richtig so.
Wer seinen eigenen Archetypen kenne, dem falle es leichter, zu sich selbst zu stehen und auf die eigene Art und Weise zu führen. Gleichzeitig helfe es, andere leichter einzuschätzen und dort einzusetzen, wo sie am wirksamsten sind.
Die Seele im Business: Ein neues Menschenbild
Marion Lockert geht davon aus, dass Menschen eine Seele haben, die hier auf der Erde ist, um Erfahrungen zu machen. Sie sieht die berufliche Welt als ein „wunderbares Spielfeld für Erfahrungen, für Beziehungen, für Herausforderungen und für Wachstum.“ Wenn man diese Annahme zulasse, verändere sich der Umgang miteinander. Es gehe weniger um Schuldzuweisungen, sondern vielmehr um Verantwortlichkeit.
„Wenn ich erstmal davon ausgehe, dass Menschen so sind, wie sie sind und so sein sollen, wie sie sind, dann habe ich ein ganz anderes Menschenbild“, erklärt sie. Man erkenne die Einzigartigkeit und das Potenzial in jedem Einzelnen. Diese Herangehensweise schaffe in einem Unternehmen mehr Wertschätzung, Miteinander und persönliche Freiheit.
Herausforderungen und Lösungsansätze
In ihrer langjährigen Arbeit mit Führungskräften hat Marion Lockert viele Herausforderungen erlebt. Besonders Inhaber geführte Mittelständler seien ihr die liebsten Kunden, da hier Zugehörigkeit und Verbindlichkeit eine größere Rolle spielten als in Konzernen.
Einer der größten Hürden ist die fehlende Bereitschaft zur Selbstreflexion. Ihr Ansatz sei für Führungskräfte, die ein gewisses Bewusstsein und die Freude am Nachdenken über sich selbst mitbringen, ideal. Dennoch sei es auch wichtig zu erkennen, dass nicht alle Menschen in ihrer persönlichen Reife so weit sind. Hier sei es zunächst wichtig, gemeinsam herauszufinden, ob eine Zusammenarbeit überhaupt sinnvoll ist.
Eine weitere Schwierigkeit sei, wenn Auftraggeber ihre Führungskraft beauftragen, das Team fit zu machen, sich selbst aber nicht als Teil des Prozesses sehen. „So gut wie immer stinkt der Fisch vom Kopfe“, zitiert sie ein Sprichwort. Ein Training sei nur nachhaltig, wenn alle Beteiligten sich in den Prozess einbringen. „Wenn eine Führungskraft nicht als Vorbild agiert und selbst auch nicht das beherzigt, was sie seinen Mitarbeitern angedeihen lassen möchte, funktioniert das nicht.“ Die systemische Organisationsaufstellung sei hier eine Möglichkeit, um sichtbar zu machen, wie bestimmte Dinge wirken und welche Faktoren für eine Veränderung nötig sind.
Der erste Schritt: Bei sich selbst anfangen
Was rät Marion Lockert Menschen, die Führung mit mehr Tiefe und Menschlichkeit gestalten wollen, aber nicht wissen, wie sie anfangen sollen? „Ich denke, das geschieht immer zuerst bei sich selbst“, sagt sie. Man solle sich die Freiheit nehmen, sich persönlich mit diesen Themen zu beschäftigen. Das müsse man nicht sofort öffentlich machen, denn eine solche Herangehensweise stößt nicht bei jedem auf Verständnis.
Mit sich selbst in diesen inneren Führungsprozess zu gehen, verändere bereits sehr viel. Es mache den Blick auf sich selbst und auf andere freundlicher und wertschätzender. Die Umgebung spüre diese Offenheit und Berührbarkeit, was wiederum andere dazu einlade, sich ebenfalls zu öffnen. „Da gibt es übrigens oft Überraschungen: Denn immer mehr Menschen befassen sich mit Sinnfragen und trauen sich nur nicht, das auszusprechen“, so Lockert. Wer den Mut habe, als Pionier an die Leitung oder Personalabteilung heranzutreten und von den positiven Veränderungen zu berichten, könne noch mehr in Bewegung setzen.
Kontakt zu Marion Lockert können Sie aufnehmen unter: www.mli-business.de