Hannover. Auch fünf Jahre nach Beginn der Pandemie ist die Versorgung von Menschen mit Post-COVID-Syndrom in Niedersachsen unzureichend – das kritisiert die Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) und fordert den Ausbau spezialisierter Ambulanzen im Land. Aktuell existieren nur zwei solcher Einrichtungen, in Hannover und Göttingen.
Die ÄKN betont die Vielschichtigkeit der Erkrankung, die bei etwa fünf bis zehn Prozent der COVID-Infizierten auftreten kann. Post-COVID umfasst neben körperlichen Beschwerden wie Erschöpfung und Atemnot auch kognitive Einschränkungen und psychische Symptome. „Diese Komplexität erfordert eine interdisziplinäre Betreuung“, so Dr. med. Vega Gödecke von der MHH. Spezialisierte Teams könnten Haus- und Fachärzte entscheidend unterstützen.
Lange Diagnosewege, fehlende Anerkennung
Ein zentrales Problem: Die Diagnostik ist aufwendig und häufig langwierig. „Viele Betroffene erhalten spät oder gar keine Diagnose. Ihre Symptome werden oft als psychosomatisch abgetan“, warnt Prof. Dr. Georg Schomerus vom Universitätsklinikum Leipzig. Das führe zu Frustration und Isolation bei Patientinnen und Patienten.
Die Ärztekammer fordert daher mehr ambulante Strukturen im Flächenland Niedersachsen – und auch mehr Forschung. So läuft an der MHH aktuell das Projekt ACCESS, das die Zahl schwer Betroffener erfassen und sie im häuslichen Umfeld medizinisch untersuchen will. Auch ME/CFS, eine häufige Folgeerkrankung nach COVID, wird dort mit untersucht.
Hohe Nachfrage nach Fortbildung
Ein deutliches Zeichen für den Versorgungsbedarf: Zur heutigen ärztlichen Fortbildung zum Thema Post-COVID haben sich 290 Ärztinnen und Ärzte angemeldet. „Das zeigt, dass die Ärzteschaft das Thema ernst nimmt“, betont Dr. Marion Charlotte Renneberg, Vizepräsidentin der ÄKN. Die Fortbildung findet hybrid statt, um möglichst vielen Teilnehmenden aus ganz Niedersachsen die Teilnahme zu ermöglichen.
Foto: Dr. med. Vega Gödecke, Professorin Dr. med. Karin Weissenborn, Dr. med. Marion Charlotte Renneberg und Professor Dr. med. Georg Schomerus in der Ärztekammer Niedersachsen (v. l.)