Rolle des St.-Vitus-Werks in der Region
„Unser Grundanspruch lautet: Wir sind Motor für Inklusion, also für Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen“, erklärt Geschäftsführer Michael Korden. Mit rund 1.000 Mitarbeitenden begleitet das St.-Vitus-Werk etwa 1.600 Menschen im mittleren Emsland – vom Frühgeborenen bis zur Seniorin. Dabei gehe es nicht nur darum, dass alle Menschen gemeinsam in KiTa, Schule oder Arbeitsplatz leben und arbeiten, sondern auch darum, dass jeder die individuell benötigte Unterstützung erhalte.
„Als großer Träger stehen wir mit unserer Arbeit aus christlichem Selbstverständnis für Werte wie Respekt und Anerkennung von Vielfalt, die gerade in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion wieder stärker in Frage gestellt sind.“
Aktuelle Angebote und Nachfrage
Die Nachfrage nach Leistungen sei in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegen, so Korden. Neben klassischen geistigen Beeinträchtigungen rückten immer mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen, Autismus-Spektrum-Störungen oder sozial-emotionalen Auffälligkeiten in den Fokus. Besonders groß sei der Bedarf an betreuten Wohnplätzen, den das St.-Vitus-Werk derzeit nicht vollständig abdecken könne.
Wirtschaftliche Herausforderungen
Auch an der Eingliederungshilfe gehe die angespannte Lage im Sozialwesen nicht vorbei. „Wir stellen sukzessive enger werdende wirtschaftliche Spielräume fest“, sagt Korden. Es brauche eine ehrliche politische und gesellschaftliche Debatte über realistische Perspektiven für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Kinder- und Jugendhilfe sowie die Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen.
Fachkräftegewinnung und Unternehmenskultur
„Vitus bietet Jobs mit Sinn“, betont der Geschäftsführer. Mitarbeitende erlebten täglich, welchen positiven Beitrag sie zur Lebensqualität leisten können. Neben fairer Vergütung seien vor allem Unternehmenskultur, Wertschätzung und Transparenz entscheidend. Gleichwohl stelle die demografische Entwicklung das Werk vor große Herausforderungen. „Im Wettbewerb um Nachwuchskräfte können wir mit sicheren Arbeitsplätzen, innovativen Konzepten und einer wertegebundenen Unternehmensführung punkten.“
Projekte und Entwicklungen der nächsten Jahre
Nach einem starken Wachstum in den Bereichen Kindertagesstätten und Wohnen setzt das St.-Vitus-Werk künftig auf Konsolidierung. Im Fokus stehen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Wissensmanagement, um den bevorstehenden Generationswechsel bei den Mitarbeitenden zu bewältigen.
Zusammenarbeit in der Region
„Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dafür ist ein regionales Netzwerk aller relevanten Akteure unabdingbar“, so Korden. Schulen, Kommunen, Vereine und Arbeitgeber seien dabei wichtige Partner. Die gute Vernetzung im Emsland sei eine besondere Stärke.
Auswirkungen des demografischen Wandels
Neben dem Fachkräftemangel beeinflusse auch die steigende Zahl älterer Klientinnen und Klienten die Arbeit. „Wir reagieren mit baulichen und konzeptionellen Anpassungen, stoßen aber in Einzelfällen auch an die Grenzen des Leistbaren. Dann können Umzüge in Pflegeeinrichtungen notwendig werden.“
Bedeutung des Ehrenamts
Ehrenamtliche seien in vielen Bereichen eine wertvolle Unterstützung – von Freizeitbegleitung über Vereinsarbeit bis hin zu Projekten wie E.V.E., in denen Menschen mit Beeinträchtigungen selbst ehrenamtlich tätig werden. „Dieser Perspektivwechsel ist sinnbildlich für gelingende Inklusion.“
Digitalisierung als Chance und Herausforderung
Digitale Lösungen könnten entlasten und Ressourcen für die direkte Arbeit freisetzen. „Doch die wachsende Bürokratie nimmt uns immer mehr davon“, so Korden. Das Werk setze auf eine Digitalisierungsstrategie, fordert aber auch politischen Willen zu Vereinfachungen und mehr Vertrauen in die Handlungskompetenz der Akteure.
Blick in die Zukunft
Abschließend formuliert Korden seinen persönlichen Wunsch: „Barrierefreiheit, Begegnungen auf Augenhöhe und echte Selbstbestimmung haben weiterhin Luft nach oben. Dass diese Bewegung weiter gestärkt wird und nicht rechtsradikalem Gedankengut oder wirtschaftlichen Zwängen zum Opfer fällt, ist mein Wunsch für die kommenden Jahre.“