Gerichtsurteil über Datendiebstahl und Datenhehlerei: Ex-Mitarbeiterin muss Auskunft über gestohlene Kundendaten geben und Schadensersatz zahlen – Signalwirkung für die Bedeutung und den Wert von Daten im Wettbewerbs- und Arbeitsrecht
Oldenburg – Das Arbeitsgericht Oldenburg hat im Februar 2025 in einem wegweisenden Urteil der Klage eines selbständigen Energietarifberaters aus Emstek gegen eine ehemalige Mitarbeiterin stattgegeben. Die hatte diverse Daten von Kunden zu ihrem neuen Arbeitgeber, einem Wettbewerber des Klägers, mitgenommen, um sie gegen die Interessen des Klägers und für die Interessen des neuen Arbeitgebers zu nutzen.
Unrechtmäßige Kundenansprache trotz Kündigung
Die Beklagte war bis März 2023 Kundenberaterin beim Kläger. Während ihrer Kündigungsfrist informierte sie zahlreiche Kunden per E-Mail über ihren Wechsel zu einem Konkurrenten aus Cappeln, der vor allem für Photovoltaik-Montagen bekannt ist; und zwar mit dem E-Mail-Accoung und Impressum des neuen Arbeitgebers. Dabei behauptete sie unter anderem, dass ihr ehemaliger Arbeitgeber keine Privatkunden mehr betreuen würde – offensichtlich eine gezielte Täuschung, um Kunden dazu zu bewegen die bestehende Geschäftsbeziehung zum Kläger aufzugeben und zu ihrem neuen Arbeitgeber zu wecheln. Das Gericht stellte unter anderem diese Behauptung nunmehr als unwahr fest.
Gericht ordnet Auskunftspflicht und Unterlassung an
Das Arbeitsgericht untersagte solche irreführenden Aussagen und verpflichtete die Ex-Mitarbeiterin zur detaillierten Auskunft, insbesondere
- welche Kunden kontaktiert wurden,
- welche Kunden beim neuen Arbeitgeber Verträge abschlossen,
- welche Anbieter bedient wurden und
- welche Einnahmen daraus entstanden.
Bei Verstößen drohen ihr Strafgelder von bis zu 250.000 Euro und Beugehaft von bis zu 6 Monaten im Einzelfall und insgesamt von bis zu 2 Jahren.
Darüber hinaus wurde die ehemalige Mitarbeiterin zum Schadensersatz verpflichtet.
Rechtsweg
Nachdem sämtliche außergerichtliche Bemühungen des Klägers gescheitert waren, klagte dieser vor der Wettbewerbskammer des Landgericht Oldenburg, nicht nur gegen die Mitarbeiterin, sondern auch gegen den Wettbewerber und deren Geschäftsführer. Die Klage gegen die Ex-Miarbeiterin wurde abgetrennt und an das Arbeitsgericht verwiesen, während der Rechtsstreit gegen den Wettbewerber und dessen Geschäftsführer weiterhin beim Landgericht anhängig ist.
Datenwert und wirtschaftliche Bedeutung
Ein international tätiger, auf die Ermittlung von Datenwerten spezialisierter Datenökonomen, hat den Wert der Daten und der zerstörten Kundenbeziehungen vorläufig mit einem Wert von etwa 365.000 Euro beziffert. Wertbestimmend war unter anderem, dass der Kläger über eine Datenstrategie, eine entsprechende Datenstruktur und klare Verfügungsrechte nachweisen konnte. Die endgültige Bewertung hängt jedoch von der abschließenden Klärung der Datenlage ab.
Der geschädigte Energietarifhändler macht gegenüber allen Prozessgegnern gesamt-schuldnerisch auch die Kosten für die datenforensischen Ermittlungen, Zinsen, etc. geltend, insgesamt über 450.000 €; bei 88 betroffenen Kunden im Durchschnitt etwa 5.000 € je Kundendatensatz.
Der Fall verdeutlicht die hohe wirtschaftliche Bedeutung von Daten als Grundlage von Kundenbeziehungen auf der Grundlage einer Datenstrategie nebst Datensicherheit.
Strafrechtliche Relevanz
Der Diebstahl und die unberechtigte Nutzung von Daten, seien sie personenbezogen oder nicht, erfüllen Tatbestände des Datenstrafrechts, insbesondere §§ 202a (Ausspähen von Daten), 202c (Vorbereiten des Ausspähens) und 202d StGB (Datenhehlerei). Sowohl die ehemalige Mitarbeiterin als auch die Geschäftsführer des Wettbewerbers müssen neben den Auskunft- und Unterlassungs- und Schadensersatzpflichten noch mit einem strafrechtlichen Verfahren rechnen.
Relevanz für Unternehmen und Rechtsprechung
Der Fall hat das Potenzial, über die Region hinaus auszustrahlen. Das Urteil zeigt auch, dass das Arbeitsgericht Oldenburg ein Verständnis für die Bedeutung von Daten im Wettbewerb besitzt und konsequent gegen unrechtmäßige Datennutzung vorgeht. Zugleich verdeutlicht er die wirtschaftliche Bedeutung dieser Daten – und wie wichtig eine klare Datenstrategie für Unternehmen ist.