Wissen – Sind True-Crime-Podcasts Journalismus oder Unterhaltung? Ein Forschungsteam der Universität Wien ist dieser Frage im Rahmen des Projekts „Vom Kern zur Peripherie: Grenzen des Journalismus“ nachgegangen. Ihre aktuelle Studie zeigt: Das Genre bewegt sich in einer journalistischen Grauzone – mit unscharfen Grenzen, aber auch hoher Relevanz für Ethik und Glaubwürdigkeit in den Medien.
Der Boom von True Crime – und seine Schattenseiten
Podcasts wie Serial haben das True-Crime-Genre seit 2014 zum weltweiten Phänomen gemacht. Mit über 340 Millionen Downloads wurde die Produktion nicht nur zum Paradebeispiel für narrativen Journalismus, sondern löste auch juristische Neubewertungen der behandelten Fälle aus.
Doch der Erfolg hat eine Kehrseite: Während manche Formate akribisch recherchieren und ihre Inhalte journalistisch aufbereiten, geraten andere wegen mangelnder Sensibilität, unklarer Quellenlage oder ethischer Grenzüberschreitungen in die Kritik.
„Boundary Work“ im digitalen Zeitalter
Die Wiener Medienforscherin Dr. Phoebe Maares und ihr Kollege Gregory Perreault untersuchten in ihrer im April 2025 in Journalism Studies veröffentlichten Arbeit sechs erfolgreiche US-Produktionen. Ziel war es, zu erfassen, wie sich die Hosts selbst positionieren, mit welchen Mitteln sie arbeiten – und wie transparent und verantwortungsvoll sie mit problematischen Inhalten umgehen.
Die Ergebnisse: Vier der sechs Formate bezeichnen sich selbst als journalistisch, fünf machen ihre Recherchen und Quellen zumindest teilweise nachvollziehbar. Doch in der Tiefe zeigen sich deutliche Unterschiede: Während einige Hosts ethische Standards einhalten und kritische Inhalte kontextualisieren, nutzen andere problematische Audioausschnitte wie Notrufe oder Interviews ohne Einwilligung oder geben Täter:innen unkommentiert eine Bühne.
Ethische Reflexion gefragt
„True-Crime-Podcasts bewegen sich in einer journalistischen Grauzone mit weichen Grenzen“, so Maares. Die Forschung zeigt: Je stärker die Formate ihre journalistische Verantwortung reflektieren – etwa durch Metakommentare oder Quellenkritik – desto glaubwürdiger wirken sie auch im medienethischen Sinne.
Dabei stehen die Podcasts stellvertretend für eine größere Entwicklung: In einer Zeit, in der sich jede:r Journalist:in nennen kann, wird die Grenzziehung zwischen journalistischem und nicht-journalistischem Inhalt immer schwieriger – mit direkten Folgen für die Medienvertrauen der Gesellschaft.