Symbolbild für emotionale Gewalt

Ulmer Studie: Jeder Sechste hält Anschreien von Kindern für vertretbar

Ulm. Eine neue Studie des Universitätsklinikums Ulm in Kooperation mit UNICEF Deutschland zeigt, dass emotionale Gewalt in der Erziehung weiterhin verbreitet ist – trotz 25 Jahren gesetzlich verankerter gewaltfreier Erziehung. Besonders das „Anschreien“ von Kindern wird von 16 Prozent der Befragten noch als angemessen angesehen.

Vor 25 Jahren wurde das Recht auf gewaltfreie Erziehung im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben. Die aktuelle repräsentative Erhebung der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Ulm zeigt, dass dieses Recht gesellschaftlich zwar breit akzeptiert wird, aber im Alltag nicht immer konsequent umgesetzt wird. Während drei Viertel emotionale Strafen grundsätzlich ablehnen, gaben rund ein Viertel der Eltern mit Erziehungserfahrung an, selbst bereits zu solchen Maßnahmen gegriffen zu haben.

Emotionale Gewalt in der Erziehung weiterhin Alltag

Besonders häufig genannt wurde das Anschreien von Kindern. Auch das Einsperren ins Zimmer (10,6 Prozent) sowie Kommunikationsverweigerung (9,4 Prozent) wurden von Eltern praktiziert. Laut Prof. Dr. Jörg M. Fegert vom Universitätsklinikum Ulm besteht zwischen Wissen und Handeln eine deutliche Lücke: „Viele wissen um die Unangemessenheit emotionaler Gewalt, wenden sie aber dennoch an. Es braucht mehr Aufklärung und gezielte Unterstützung – gerade für Menschen mit eigener Betroffenheit in der Kindheit.“

Die Studie zeigt, dass Personen, die selbst emotionale Strafen erlebt haben, diese signifikant häufiger als akzeptabel bewerten und weitergeben. Rund die Hälfte dieser Gruppe stimmte entsprechenden Methoden zu – im Vergleich zu nur zwei Prozent unter denjenigen ohne eigene Gewalterfahrungen.

Forderung nach Gesetzesreform und besserem Schutz

UNICEF Deutschland fordert gemeinsam mit den Forschenden aus Ulm eine Erweiterung des Begriffs der gewaltfreien Erziehung. Bisher werde Vernachlässigung als Form von Gewalt nicht gesetzlich berücksichtigt. Auch eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz wird gefordert, um rechtliche Grundlagen für umfassenderen Schutz zu schaffen. Zudem solle die Prävention auf digitale Lebenswelten und familiäre Kontexte angepasst sowie systematische Datenerhebungen zur Gewalt in der Erziehung vorangetrieben werden.

Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland, betont: „Gewalt – auch emotionale – gefährdet die seelische Gesundheit von Kindern und beeinflusst ihr ganzes Leben. Der Schutz vor Gewalt muss endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen werden.“

Gewaltfreie Erziehung: Regionale Relevanz und Handlungsbedarf

Auch in der Region Ulm und Umgebung ist das Thema hochaktuell. Die Erkenntnisse aus der Studie rufen Institutionen, Familien und Bildungseinrichtungen dazu auf, noch stärker für eine konsequent gewaltfreie Erziehung einzustehen. Angebote zur Unterstützung von Eltern, frühzeitige Hilfen und ein breites gesellschaftliches Bewusstsein für kindgerechte Erziehung sind entscheidend.

Quelle: UNICEF Deutschland / Universitätsklinikum Ulm. Foto: UNICEF

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